Meine Bilder entstehen aus Klecksen. Kaffee, Tee oder Blut landen auf einem Blatt Papier und mit viel Geduld und Hingabe erwecke ich sie zu Leben.

Einige Bilder und Geschichten dazu kannst du hier bestaunen.

Die Bilder gibt es auch als Postkarten – auf meinen Konzerten kannst du sie direkt kaufen oder über eine Nachricht an mich bestellen. (info@evamaeurer.de)

Viel Freude mit den Bildern und Geschichten!

Wie Angst und Ekel die Erde beherrschten

(gekleckst mit Tee, Figuren zu Leben erweckt mit Fineliner)

Wie Angst und Ekel die Erde beherrschten

Ein Märchen erzählt von Eva Mäurer

Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, in einem wunderbaren Land. Dieses war voll saftiger Wiesen, schattiger Wälder und duftendem Leben. Die Pflanzen und Tiere lebten in gegenseitiger Achtung miteinander. Sie schätzten und respektierten sich. Auch Zauberwesen gab es, ja! Denn alles, woran du glaubst, kann existieren. Die Menschen der Gegend genossen die Verbundenheit mit ihrer Umwelt, den Tieren, den Pflanzen, den Elementen und den Zauberwesen. Sie hörten einander gern zu. Es gab viele Geschichtenerzähler, Liedermacher, man las Bücher und schrieb sie. Zudem beging man liebend gern rauschende Feste, um die Freude am Leben zu feiern. Tauchten Probleme oder Sorgen auf, so gab es ein Wundermittel: besonnen zu lauschen. Oft wurden die Sorgen schon im Erzählen oder sich selbst zuhören kleiner und kleiner. Oder man lauschte der Umwelt, den Mitmenschen oder anderen Daseiensformen. Und man vertraute darauf, selbst Gehör zu bekommen, wenn es nötig war.

Ein jeder hatte seinen Platz und sein Recht zu leben.

Dieses Land brauchte keinen König und keine Regierung. Der gegenseitige Respekt wies den Weg. Suchte man Rat, fand man diesen bei den Weisen. Es gab weise Frauen und Männer, weise Kühe, weise Steine, weise Nahrung und weises Feuer. Die Erfahrung machte weise. Und so konnte jeder, jede oder jedes zum Weisen werden.

Eines Tages verlief sich ein Löwe mit langem, zotteligem Fell und spitzen Krallen in der Savanne und landete in diesem Land. Jedem, dem er begegnete, streckte er die Zunge heraus. Die Menschen fühlten etwas bisher Unbekanntes, wenn sie ihn sahen. Ja, es begann schon, wenn sie ihn hörten oder nur andere rufen hörten: „Hilfe! Passt auf! Da ist er!“ Sie gaben ihm einen Namen. Man nannte ihn: Angst.

Kurz nach Angst kam ein weiteres, neuartiges Wesen in das Land. Auf den ersten Blick war es eine gelbe Kröte. Sah man aber genau hin, waren da hunderte von winzigen rubinroten Punkten auf dem Körper verteilt. Aus ihnen tropfte eine unbekannte Flüssigkeit. Die Menschen mieden die Kröte, wer diese erspähte warnte die anderen. Man rief: „Hilfe! Seht euch vor! Da ist sie!“ Auch die Kröte bekam einen Namen. Man nannte sie: Ekel.

Manchmal waren Angst und Ekel gemeinsam unterwegs, oft auch jeder für sich. Die Menschen waren nun immer wachsam, um den beiden nicht zu begegnen. Jeder blieb am liebsten in seinen eigenen vier Wänden und schloss sorgsam die Türen zu. Immer seltener fanden Feste statt, die Kinder gingen nicht mehr in die Schule, weniger Bücher wurden vorgelesen, man hörte kaum noch zu. Außer das „Hilfe! Seht euch vor!“ Darauf hörten die Menschen ganz genau. Ohne es selbst zu wollen gewannen Angst und Ekel die Herrschaft über das Land. Und ohne es zu bemerken, ließen die Menschen dies geschehen.

Um sich vor Angst und Ekel zu schützen begann man Mauern und Wälle zu bauen. Bäume wurden gefällt, Felsen gesprengt und alles übereinander geschichtet, um eine Barriere zu bauen, die Angst und Ekel nicht durchdringen konnten. Niemand hörte mehr den Tieren und Pflanzen oder den Elementarwesen zu. Man war zu beschäftigt. Mit Kampf. Mit Abwehr. Mit Angst. Mit Ekel. Doch auch der Kröte und dem Löwen hörte niemand zu…

Mitten in diese Welt hinein wurde ein kleines Menschlein geboren. Das Kind war besonders, wie jedes Kind. Das spürten zuerst seine Eltern. In der Nähe ihres Babys waren sie ruhiger, besonnen, voll Zuversicht und Hoffnung. Es war, als brächte das Kind Licht in die Welt. Und so nannten sie es „Lumo“. Lumo wuchs heran und wurde zu einem vor Freude sprühenden und leuchtenem Mädchen. Sie war jeden Tag draußen im Wald unterwegs, allein oder mit anderen Kindern. Ohne es bei anderen zu sehen (denn die Erwachsenen hatten das ja längst vergessen) wandte Lumo sich auch den Pflanzen und Tieren zu. Sie sprach mit jedem Wesen der Welt und schenkte ihnen dabei von ihrem Licht. Dabei wurde sie immer heller und alle in ihrer Umgebung erlebten, wie schon Lumos Eltern, eine neue Leichtigkeit und Freude am Leben.

Eines Tages begegnete Lumo im Wald dem Löwen. Die anderen Kinder hatten sich längst schreiend aus dem Staub gemacht. Aber Lumo blieb einfach stehen und ließ ihn heran kommen. Man hatte ihr von ihm erzählt, von seinen grausigen Krallen, der schrecklichen Zunge und dem zotteligen Fell. Lumo war gespannt und neugierig auf dieses Wesen.

„Was willst du, Angst?“, fragte sie.

„Ich will dich stärken.“, sagte Angst.

Lumo fragte: „Wie das?“

Und Angst antwortete: „Indem du mich anschaust, mir in die Seele blickst, wird meine Kraft ein Teil von dir.“

Also schaute sie ihm in die Augen. Ganz lange. Und noch länger. Ihr wurde dabei heiß und kalt zugleich. Sie spürte all die Ablehnung, den Kampf, die Kraft und die Tränen, die Angst schon erlebt hatte. Sie nahm all ihren Mut zusammen und schaute noch länger hin. Und dann, endlich, als es in ihr wieder ruhig wurde, da begann Angst immer kleiner zu werden. Er wurde so klein, dass Lumo ihn in ihre Hosentasche stecken konnte.

Zuhause erwarteten ihre Eltern sie schon voll Sorge. Denn die anderen Kinder hatten sofort von dem Vorfall im Wald erzählt. Wie staunten die beiden, als Lumo ihnen die geschrumpfte Angst zeigte. Und sie verstanden. Zusammen tanzten sie einen Freudentanz – Mutter, Vater, Lumo und Angst.

Wenig später war Lumo allein an einem Weiher unterwegs. Sie hörte etwas im Wasser platschen und sah plötzlich eine gelbe Kröte vor sich. Auch von dieser hatte sie schon viel gehört und sich die rubinroten Flecken vorgestellt. Nun sah sie diese direkt vor sich, mit all der eigenartigen Flüssigkeit, die aus ihr tropfte. Lumo spürte ein Grummeln im Bauch. Vor allem aber war sie gespannt, was nun passieren würde.

Sie fragte: „Was willst du, Ekel?“

„Ich will deine bedingungslose Hingabe an alles.“, antwortete Ekel.

Weil Lumo nicht genau verstand fragte sie noch einmal nach: „Wie meinst du das?“

Ekel antwortete: „Ich möchte, dass du alles akzeptierst. Das Schöne, das Helle, das Unbekannte, das Abstoßende, das Dunkle – alles hat die Berechtigung zur Existenz. Alles hat eine Bedeutung.“

„Welche Bedeutung haben deine roten Flecken?“, wollte Lumo wissen.

„Schau nur genau hin. Du wirst schon begreifen.“, antwortete Ekel.

Also sah Lumo hin. Sehr lange blickte sie Ekel an. Es kostete zu Beginn Überwindung, wurde dann immer leichter. Und irgendwann gefielen ihr die roten Flecken sogar. Da wurde auch die Kröte so klein, dass sie in Lumos Hosentasche passte.

Zu Hause tanzten sie an diesem Abend zu fünft: Mutter, Vater, Lumo, Angst und Ekel. Es war wie ein großes Fest! Die gute Laune des Hauses lockte Menschen aus der Nachbarschaft an. Bald war die ganze Straße versammelt und tanzte. Lumo zeigte Angst und Ekel den Besuchern und berichtete, was sie von ihnen gelernt hatte. Da besannen sich die Menschen und verstanden, dass verstecken nicht hilft. Sie hörten einander wieder zu. Sahen die Pflanzen und Tiere an und sprachen mit ihnen. Auch Zaubereien ließen sie wieder geschehen. Und fast jeder traf hier oder dort eine Kröte oder einen Löwen, der eine Botschaft mitbrachte.

Angst und Ekel lebten von nun an in Lumos Tasche. Meist waren sie klein und Lumo spürte sie kaum. Doch manchmal geschahen Dinge im Leben, die sie wachsen ließen. Dann zog Lumo sich zurück, holte Angst oder Ekel aus der Tasche und sah sie oder ihn lange an. Manchmal drehte sich dann wieder alles um sie herum, wurde ihr heiß und kalt. Doch voll Vertrauen sah sie weiter hin. Bis sie die Ruhe wieder spüren konnte. Bis ihr Begleiter wieder so klein war, dass er in die Tasche passte.

– Ende der Geschichte –

Bewusstseinserweiterung

(gekleckst mit Tee, Figuren zu Leben erweckt mit Fineliner)

Bewusst gewusst,

gehemmt verdrängt.

Ein off’ner Geist

Mehr Wege kennt.

Eva Mäurer